Man muß keine Statistiken bemühen, um festzustellen, dass die beruflichen und privaten Anforderungen in unserer technisierten Welt ständig zunehmen. Immer schneller, immer mehr, immer rücksichtsloser. Wer es nicht schafft, Oasen der Ruhe in den Alltag einzubauen, landet schnell im Hamsterrad und übernimmt die Anforderungen von aussen als eigene Lebensmaxime.
Meine Methode, mit Stress umzugehen, ist die Fotografie. Wenn der Kopf voll ist von Computer, Emails und Internet, wenn ich merke, dass ich wie ferngesteuert plan- und ziellos von einer Internetseite zur anderen surfe, gibts nur eins: Kamera in die Hand und hinaus in die Natur. Nicht zum Foto“shooting“ auf die Jagd nach Motiven, sondern zum „Aufnehmen“. To receive a photo, nennt es die Kontemplative Fotografie: in einer Haltung der Offenheit und Aufmerksamkeit sehen, wo es mich hinzieht. Heraus aus der Haltung des aggressiv anmutenden Shootings oder des „Take-a-photo“ im Sinne von in Besitz nehmen oder festhalten!
In dieser Offenheit begegnen mir Motive, die ich vorher nie (so) gesehen hatte. Ich bleibe stehen, schaue, staune, nehme neue Perspektiven ein. Ich mache mir etwas vertraut, trete in Beziehung und bin ganz fokussiert und konzentriert. Der Kopf wird frei, das Herz beginnt zu sprechen. Letztlich ist es dann nicht mehr entscheidend, ob ich ein Foto aufnehme oder nicht.
Warum ich trotzdem fotografiere? Weil es mir hilft, mit meiner Aufmerksamkeit ganz im Hier und Jetzt zu bleiben. Nicht fern-, sondern innengesteuert. Weil ich mit dem Foto dieses Gefühl des Staunens oder der Dankbarkeit mitnehme und ich später, beim Betrachten des Bildes, das Gefühl wieder herholen kann.
Wenn ich nach einer halben Stunde wieder am Computer sitze, merke ich den Perspektivenwechsel in mir. Und das tut ganz einfach gut!