Weniger ist mehr – Reduzieren durch Überbelichten
Reduzieren durch Überbelichten – eine Methode für mehr Klarheit in deinen Bildern. Fotos, in denen das Auge ausruhen kann, tun gut. Wir erleben derzeit eine nie da gewesene Bilderflut. Die Augen sind übersättigt von Farben und Motiven und irren oft in einem Bild umher, ohne auf Anhieb zu entdecken, welches das Hauptmotiv ist. Oft bleibt unklar, worum es dem Fotografien in seiner Bildaussage ging – sofern eine solche überhaupt vorhanden ist. Wir sind vielfach überfordert und sehnen uns nach Entrümpeln – in der Wohnung, im PC, im E-Mail-Postfach, in unserem Kopfkino. Wer gerne fotografiert, spürt vielleicht dieses Bedürfnis auch: weniger Farben, weniger Motive im Bild, weniger Aufnahmen überhaupt.
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, sich beim Fotografieren durch gezieltes Reduzieren auf das Wesentliche zu konzentrieren und zu beschränken, z.B. Zurücknehmen der Farben und in Schwarzweiß fotografieren, leeren Raum als Gestaltungsmittel einbeziehen, manuell unscharf stellen oder das Motiv durch einen weich gezeichneten Hintergrund hervorheben.
Eine sehr wirkungsvolle Methode ist Reduzieren durch Überbelichten. Wie du dabei am besten vorgehst, erkläre ich dir in diesem Beitrag.
Um das Thema anschaulicher zu machen, hier ein Bildbeispiel:
Durch gezieltes Überbelichten wurden hier Elemente ausgeblendet, die vom eigentlichen Motiv nur ablenken würden. Wie entsteht ein solches Foto? Ich versuche es mal für Einsteiger möglichst verständlich zu erklären.
Fotografieren in der Halbautomatik
Was zunächst wichtig ist: Fotografieren mit der Vollautomatik ist hier fehl am Platz. Warum? Die Vollautomatik versucht immer, das Bild ausgewogen zu belichten – nicht zu hell und nicht zu dunkel. Die Kamera ist da sehr eigensinnig und lässt sich nicht dreinreden. Schalte deshalb das Programmwählrad deiner Kamera auf A oder Av, je nach Kamerahersteller. Das A steht für Aperture, die Öffnung der Blende, falls der Buchstabe v daneben steht, ist dies die Abkürzung für value, den Wert. In der Position A kannst du also die Blende entweder weit öffnen oder aber hin zu einer kleinen Öffnung schließen. Wichtig dabei: Eine weit offene Blende hat eine kleine Zahl, z.B. f/2.8, f/18 oder sogar f/1.4 (sehr große Blendenöffnung). Umgekehrt hat die Blende bei einer großen Zahl, z.B. f/11 oder f/16 nur eine sehr kleine Öffnung – es kommt in der gleichen Zeit nur wenig Licht durch auf den Sensor. Der Buchstabe f steht übrigens immer vor dem Blendenwert.
Wähle nun in dieser Position A mit einem Drehrad an der Kamera eine möglichst weit geöffnete Blende (kleine Zahl). Welches Rad das ist, kannst du entweder einfach ausprobieren – oder du wirfst einen Blick ins Handbuch. Das Ganze nennt sich Blendenvorwähl oder auch Zeitautomatik. Beide Begriffe bezeichnen den selben Vorgang. Zeitautomatik deshalb, weil nun die Kamera die entsprechende (Belichtungs)Zeit dazu sucht, und zwar so, dass das Foto wie bei der Vollautomatik richtig belichtet wird.
Die Belichtungskorrektur
Wenn du nun sagst: Und was hilft mir das?, hast du völlig recht. Es hilft dir zunächst gar nichts. Du willst ja ein überbelichtetes Bild haben. Die Lösung heißt Belichtungskorrektur. Du korrigierst nun das, was dir die Kamera vorgeschlagen hat, in den Plusbereich. Damit wird dein Bild heller und überbelichtet. An den allermeisten Kameras gibt es dafür eine +/- Taste. Wenn du diese drückst, erscheint im Kameradisplay oder im Sucher eine Skala. In der Mitte steht eine 0, nach links geht es in den Minusbereich (Bild wird dunkler), nach rechts in den Plusbereich (Bild wird heller). Während du die +/- Taste drückst, kannst du mit dem Drehrad in den Plusbereich gehen und schon wird dein Foto heller. Übrigens: manche Kameras haben keine eigene Taste für +/-, sondern an einem Drehrad auf der Kamerarückseite ein Symbol dafür.
Fotografieren im Manuellen Modus
Eine weitere Methode zum Überbelichten ist das Fotografieren im Manuellen Modus. Dafür drehst du das Programmwählrad auf M und kannst so sowohl Blende als auch die Belichtungszeit selbst einstellen. Möglicherweise hat deine Kamera dafür zwei Drehräder oder du stellt die Blende ein und musst dann für die Zeiteinstellung einen zusätzlichen Knopf drücken. Stichwort Handbuch. Je länger du nun die Zeit wählst, umso heller wird deine Aufnahme. Doch Vorsicht: wird die Zeit zu lang, besteht Verwacklungsgefahr. Dann solltest du ein Stativ verwenden. In dieser Einstellung übrigens funktioniert die Belichtunskorrektur nicht. Ist logisch – es gibt ja keine Automatikeinstellung zu korrigieren.
Welche Motive eignen sich?
Vermutlich ist dir selbst schon in den Sinn gekommen, dass sich besonders Motive mit vielen hellen Bildanteilen eignen. Dunkle Motive im Foto lassen sich nur schwer wegbelichten. Diese Technik findest du oft auch unter dem Begriff Highkey-Aufnahmen. Hier noch ein paar Bildbeispiele. Stell dir einfach mal vor, wie diese Fotos auf Leinwand vergrößert in deiner Wohnung wirken würden.
Nun viel Spaß beim Ausprobieren vom Reduzieren durch Überbelichten. Vielleicht erlebst du ja beim Fotografieren, das dies auch eine Art Meditative Fotografie sein kann.
Herzlich!
Dein Georg Schraml