Wabi Sabi – die Schönheit des Unperfekten

Die Schönheit des Unperfekten

Wabi SabiWabi Sabi – die Schönheit des Unperfekten – eigentlich widerspricht das dem Zeitgeist total. Wenn ich die Entwicklung der letzten Jahre anschaue, habe ich manchmal den Eindruck, wir verfallen immer mehr einem Perfektionismus-Wahn. Die Kamerahersteller überbieten sich gegenseitig in einem Pixelwettrüsten, das nur noch die Technikverliebten unter den Fotografiebegeisterten im Fokus hat. Aber auch das Fotografieren selbst muss perfekt sein: Belichtung Schärfe, Bildrauschen, Weißabgleich, Goldener Schnitt… nichts darf vernachlässigt werden. Ich möchte all das in keiner Weise verteufeln. Im Gegenteil: wer seine Kamera beherrscht, kann Fotos von einzigartiger Schönheit entstehen lassen. Ich will nur sagen, dass wir sehr einseitig geworden sind.

Der großartige Fotograf David duChemin drückt es in seinem (sehr empfehlenswerten) Buch „Die Seele der Kamera“ so aus: „Wenn wir unsere Fotos anschauen und darin nicht den kleinsten Hauch von uns selbst wiederfinden, ist das ein deutliches Zeichen, dass unsere Bilder ihre Seelen verloren haben.“ Es geht ihm um unsere emotionale Beziehung zu unseren Fotos, um unsere Intuition, um Einfachheit und Natürlichkeit. Vielleicht kann man es am prägnantesten umschreiben mit „Fotografieren mit dem Herzen“.

Wabi Sabi – das Unbeachtete und Bescheidene entdecken

In der japanischen Tradition des Wabi Sabi – einem schwer übersetzbaren Begriff – geht es genau darum: um das Sehen des Schönen im (oberflächlich gesehen) Unschönen und Häßlichen. Wabi heißt soviel wie „sich verloren, einsam fühlen“, Sabi besagt “ Patina zeigen, alt sein“. Wabi Sabi ist Lebenseinstellung, nicht zuerst eine Methode. Das Entscheidende ist nicht die offenkundige Schönheit, wie wir sie im Urlaub auf den Postkartenmotiven finden, sondern das Bescheidene, Versteckte, Unbeachtete. Das was uns im Herzen berührt und was wir ohne Perfektionismus aufnehmen – mit der Kamera und in uns selbst.

In der Meditativen Fotografie spielt dieser Aspekt eine große Rolle. Für manchen erfordert es mit Sicherheit Überwindung und Mut, seine Fotos unperfekt sein zu lassen, Doch wer sich darauf einlässt, wird eine andere, viel persönlichere Art des Fotografierens erleben. Vielleicht widerspricht Wabi Sabi dem Zeitgeist gar nicht so, wie man annehmen möchte. Vielleicht liegt im Wabi Sabi die Sehnsucht verborgen, in unserer Welt des immer schneller und immer perfekter wieder zur Ruhe zu finden und sich nicht ständig von den äußeren Trends leiten zu lassen. Probier es doch mal aus!

Viel Spaß dabei wünscht dir dein Fototrainer
Georg Schraml

Hier findest du Bildbeispiele:

 

4 Kommentare zu “Wabi Sabi – die Schönheit des Unperfekten

  1. Christoph Neubauer

    im Ab-FAll Dynamik und Schwung herauslesen.

  2. Alizia Widera Fotografie

    Die Natur nimmt sich alles was sie bekommt.

  3. Alizia Widera Fotografie

    Alt, faltig und schrumpelig, dennoch WUNDERSCHÖN anzusehen.

    1. Georg Schraml

      Schönheit und Vergänglichkeit – wie sehr beides zusammen gehört. Wir wachsen, wenn wir zu beidem JA sagen können. Vielen Dank, Alizia!

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